25.05.2015 | 22:49 | baby a | wort schatz | kommentieren
Jetzt bist Du drei Jahre alt, Baby A. Schon so groß. Und so großartig.
Du diskutierst von morgens bis abends mit uns. Und nachts natürlich auch. Du vergisst nichts. Alles, was man Dir erzählt, wird irgendwann gegen einen verwendet taucht irgendwann wieder auf. Du stellst ständig neue Zusammenhänge her. Es ist ganz toll mit Dir zu reden. Aber bisweilen macht es mich auch etwas müde. :-)
Ein typischer Spaziergang sieht etwa so aus:
‚Mama, wo gehn wir hihin?‘ ‚Spazieren.‘ ‚Ja, pazieren. … Und wo gehn wir hin?‘ ‚Wir gehen ums Schloss.‘ ‚Ums ßloss? Gut.‘ ‚Mama, wenn da Autos sind musst Du mich festhalten. Sonst fahrn die mich um. Dann bin ich platt.‘ ‚Die solln mich nicht umfahrn.‘ ‚Mama, da ist eine ßPINNEEEEE!‘ ‚Mama, halt aaaaan! Da ist eine ßPINNNNEEEEE!‘ (Baby A fährt derzeit auf dem Trittbrett an Baby Fs Wagen mit. Daher muss ich anhalten, wenn Baby A absteigen möchte.) ‚Ich brauch ein ßtock, dann kann ich die ßpinne paputt machen!‘ ‚Nein, Du sollst die Spinne nicht kaputt machen.‘ ‚Aber das möchte ich!‘ (Das ist einer der am häufigsten gehörten Ausdrücke: ‚Nein, es gibt keine Schokolade.‘ ‚Aber das möchte ich!‘ Und Alternativ: ‚Doch natürlich geht es jetzt ins Bett.‘ ‚Aber das möchte ich nicht!‘) ‚Nein, bitte. Lass doch die Spinne in Ruhe.‘ ‚Waruhum?‘ ‚Macht die mich aua?‘ ‚Nein, die tut Dir nicht weh. Aber lass sie doch einfach in Ruhe.‘ ‚Aber ich möchte das!‘ Baby A stochert in dem Spinnenetz herum. Ich werde irgendwann ungeduldig. Wenn ich Glück habe steigt Baby A wieder auf. ‚Oh schau mal, da sind ganz viele Hummeln.‘ ‚Was machen die da?‘ ‚Die fliegen von einer Blüte zur anderen und sammeln Nektar.‘ ‚Machen die die Blumen paputt?!‘ ‚Nein, die machen die Blumen nicht kaputt. Die suchen was zu essen.‘ ‚Können die mich pieken?‘ ‚Ja, die können Dich pieken. Die darf man nicht anfassen.‘ ‚Und wenn die auf dem Boden liegen und ich da drauf trete, dann sind die paputt! Dann pieken die nicht mehr.‘ ‚Nein, Du darfst da nicht drauf treten. Dann werden die böse und dann pieken die erst recht.‘ ‚Aber wenn ich da drauf trete. Dann gehn die paputt!‘ ‚Nein, bitte nicht drauf treten.‘ ‚Wo fliegen die hihin?‘ ‚Das weiß ich nicht.‘ (Auch ein häufig gehörter Ausdruck.)
‚Was ist das für ein Geräusch?‘ ‚Da ist ein Hubsteiger, wenn der rückfährts fährt, dann piept der.‘ ‚Was macht der Onkel da?‘ ‚Der lädt Material auf und fährt mit dem Hubsteiger nach oben zu dem Fenster und dort gibt er die Sachen weiter.‘ ‚Darf ich auch mal mit den Hubschrauber fahrn?‘ ‚Das ist ein HubSTEIGER. Damit dürfen wir nicht fahren.‘ ‚Aber ich möchte das!‘ ‚NAAAAIN, Mama! Nich weiterfahrn! Ich möchte den Hubschrauber angucken!‘
‚Ist das Pup-iiiih?‘ ‚Ja, das ist Pup-iiiih von einem Vogel.‘ ‚Geht der Vogel nicht auf die Toilette?‘ ‚Nein, das macht der nicht.‘ ‚Aber das muss der machen!‘ ‚Darf ich das Pup-iiiih mal anfassen?‘ ‚NEIN‘
‚Mama, was haben die da geangelt?‘ ‚Das ist ein Kran, da hängt eine Kreißsäge dran.‘ ‚Aber das ist ein Tisch!‘ ‚Ja, das ist ein Tisch und in der Mitte von dem Tisch ist das Sägeblatt von der Kreißsäge.‘ ‚Warum hängt der Tisch da?‘ ‚Weil die Arbeiter nach Hause gegangen sind. Dann fahren sie die Säge nach oben, damit niemand sie klaut.‘ ‚Aber die wackelt!‘ ‚Ja, das macht der Wind.‘ ‚Fällt der Tisch gleich runter?‘ ‚Nein, der ist fest.‘ ‚Aber kommt der Tisch wieder runter?‘ ‚Ja, wenn die Arbeiter wiederkommen, dann fahren sie den Tisch wieder runter.‘
‚Sind da Fißße in den Wasser?‘ ‚Ja, da sind bestimmt Fische im Wasser.‘ ‚Beißen die mich?‘ ‚Nein, die beißen Dich nicht.‘ ‚Haben die kein Mund?‘ ‚Doch, die haben schon einen Mund.‘ ‚Aber können die den Mund nicht so aufmachen?‘ ‚Doch, das können die wohl.‘ ‚Aber dann können die mich wohl beißen!‘ ‚Aber Du bist ja hier an Land, da beißen die nicht.‘ ‚Aber wenn ich in das Wasser fäll und dann geh ich runter und dann können die mich beißen. Die Fißße.‘ ‚Aber Du fällst nicht ins Wasser.‘
‚Was machen die Fißße?‘ ‚Die schwimmen.‘ ‚Und dann?‘ ‚Dann fressen sie einen Wurm.‘ ‚Und dann?‘ ‚Dann machen sie Pup-iiiih.‘ ‚In den Wasser?‘ ‚Ja, im Wasser.‘ ‚Und dann?‘ ‚Dann schlafen sie.‘ ‚Und dann?‘ ‚Dann wachen sie wieder auf.‘ ‚Und dann?‘ ‚Dann fressen sie wieder.‘ ‚Und dann?‘ ‚Dann machen sie Pipi.‘ ‚Und dann kommen die raus aus den Wasser?‘ ‚Nein, die kommen nicht aus dem Wasser raus. Die können nur im Wasser leben.‘
‚Guck mal, Mama! Ein Kickikiiii!‘ Baby A hat den Wetterhahn auf dem Kirchturm entdeckt. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, was es meint.
‚Mama! Da ist ein Loch in den Baum!‘ ‚Stimmt.‘ ‚Da ist ein Maulwurf drin!‘ ‚Nein, da ist kein Maulwurf drin.‘ ‚Aber da ist ein Loch in den Baum!‘ ‚Ja.‘ ‚Dann ist da ein Maulwurf drin!‘ ‚Nein, Maulwürfe leben in der Erde, nicht in Bäumen.‘ … ‚Aber ich glaub wohl, dass da ein Maulwurf in den Baum ist.‘ ‚Ich brauch ein ßtock, dann kann ich den Maulwurf finden.‘ Baby A stochert mit einem Stock in dem Baumloch herum und sucht nach dem Maulwurf. Vergeblich. Ich werde irgendwann ungeduldig. Wenn ich Glück habe, kommt Baby A mit, wenn ich weitergehe.
‚MAMAAA! Da is ein Maulwurf drin!‘ Baby A hat einen Maulwurfhügel entdeckt. Ich muss lachen. ‚Ja, da ist bestimmt ein Maulwurf drin.‘ ‚Ich brauch ein ßtock!‘ Baby A stochert in dem Maulwurfhügel herum und sucht nach dem Maulwurf. Vergeblich. ‚Der Maulwurf wohnt ganz tief unter der Erde, den kann man mit einem Stock nicht finden.‘ ‚Doch, ich finde den wohl.‘ Baby A stochert mit Ausdauer. Ich werde irgendwann ungeduldig.
Und so dauert ein Spaziergang schonmal etwas länger. ‚Entschleunigung‘ nennt man das wohl. (Trifft sich ganz gut, weil ich nach der Sectio sowieso nicht so schnell laufen kann.)
Wir beobachten Angler. ‚Wollen die die Fißen krichen?‘ (Gemeint ist ‚Wollen die die Fische kriegen?‘) ‚Ja, die wollen die Fische fangen.‘ Besonders faszinierend und einprägend ist das Erlebnis, als ein Mädchen einen kleinen Hecht fängt, gerade als wir vorbei spazieren. Auch später erzählt Baby A noch davon. ‚Mama, das Mädchen hat ein Echt gefangen!‘ ‚Ein Echt-Fiß!‘ ‚Ein echten Fiß!‘ ‚Ja, das Mädchen hat einen HECHT gefangen. Einen echten Hecht.‘
Du bist total fasziniert von Fahrrädern und wünschst Dir dringend ein eigenes. Eins ‚mit Tramplern! Da kann man so trampeln mit den Tramplern!‘ Der Wunsch manifestierte sich aber zu kurzfristig vor Deinem Geburtstag, daher hast Du noch kein Fahrrad bekommen. Vielleicht zu Weihnachten? Oder erst nächstes Jahr. Mal sehen.
Du hattest aber Deinen Geburtstag schon fest im Blick und hast auch ganz konkret gesagt: ‚Und dann krich ich ein Fahrrad zun Geburtstag. Mit so Tramplern! Ja?!‘ Ich hab dann halb im Scherz geantwortet: ‚Da musst Du Opa Willi fragen.‘
Bei einem unserer Spaziergänge einige Tage später fuhren uns zwei 8- und 9-jährige Jungs mit Kettcars über den Weg. Du warst sofort hin und weg. Ein Kettcar! Zum Geburtstag! Mit so Tramplern! Ich habe wieder gesagt: ‚Da musst Du Opa Willi fragen.‘ Du hast sofort reagiert. ‚Beides, Mama?‘ Ich wusste wohl, was Du meinst. Habe aber dann doch nochmal nachgefragt. ‚Was meinst Du mit beides?‘ ‚Mama, soll ich beides Opa Willi fragen? Ein Kettcar UND ein Fahrrad?!‘
Du bist der beste große Bruder, den sich Deine Schwester wünschen kann. Du bist lieb und verständnisvoll und immer besorgt, wenn das kleine Baby weint. Du stöpselst den Schnuller wieder rein und rufst uns, wenn das nicht reicht. Bis einer von uns bei Euch ist, redest Du beruhigend auf die kleine Schwester ein. ‚Gleich kommt die Mama, da musst Du nicht weinen, Baby F.‘ Du beobachtest, wie ich die Kleine stille und wickele. Du steichelst und küsst. Bisher bist Du noch nicht sehr eifersüchtig. Ich bin gespannt, wie das wird, wenn der Papa erst wieder arbeiten geht.
Du bist sehr sensibel. Spürst jede Stimmungsschwankung sofort. Bist auch um mich immer sehr besorgt und kontrollierst häufig, wie es mir geht. ‚Mama, weinst Du gleich? Du musst nicht weinen. Ich bin ja da.‘ ‚Tut das Baby Dir weh? Ist gleich wieder besser!‘
Das Schlafen im Kindergarten haben wir nun wieder aufgegeben. Du konntest im Kindergarten immer nur sehr schwer in den Schlaf finden, meist hast Du dort überhaupt nicht geschlafen und warst dann nachmittags unausstehlich. Du wirst nun nach dem Mittagessen abgeholt und schläfst dann zu Hause. Mittagsschlaf zu Hause funktioniert noch ziemlich regelmäßig und verlässlich. Du liebst den Kindergarten. Leider warst Du im letzten Jahr nicht so regelmäßig dort, wie wir beide es gern wollten. Das lag an den ständigen Infektionen, die sich gegenseitig ablösten. Und die Halszyste macht uns weiterhin Sorgen.
Du bist ein großer Beobachter und Tüftler. Fast jeden Tag lernst Du irgendwelche neuen Fertigkeiten. Ob es nun um das Löffeln von Suppe (am Ende den Teller leicht schräg halten, um auch den letzten Rest auslöffeln zu können), das Anziehen Deiner Jacke (zuerst die Kapuze aufsetzen, damit man weiß, welcher Arm in welchen Ärmel gehört) oder das Öffnen und Schließen von Reißverschlüssen geht. Es ist faszinierend, Dir dabei zuzusehen. Wenn etwas nicht sofort klappt, verbringst Du lange Zeit damit, konzentriert zu üben.
Du bist ein kleiner Sänger. Den ganzen Tag summst und singst Du vor Dich hin. Ich habe vor einiger Zeit mehrere Liederbücher gekauft, aus denen wir regelmäßig singen. Auch zum Schlafen gehen gibt es nun statt einer Gute-Nacht-Geschichte öfter mal ein Gute-Nacht-Lied. Du bist ziemlich textsicher, wobei Du Textstellen, die Du nicht verstehst, gern auch umdichtest. Teilweise in noch unverständlicheres Kauderwelsch.
‚Aaaalle Vögel sind schon da, alle Vögel, alle!
Welch ein Singen, Musizief
Pfeifen, Zwitschern, Tirihilief
Frühling will nun ein Maschief
kommt mit Sand und alle.‘
Die Melodie stimmt aber immer. Und Taktgefühl hast Du auch.
Du spielst Fantasiespiele. Da wird ein Beutel voller Luftballons zu einem Teich voller Enten, die Dich alle ‚in den Popo kniffen‘ wollen. Du zählst bis 10, ziehst Dich problemlos selbst an (wenn Du Lust dazu hast) und in der Woche nach Deinem Geburtstag hast Du angefangen das große Geschäft regelmäßig auf der Toilette zu erledigen. Wir hatten schon eine Weile mit mehreren Bestechungsmitteln gelockt, weil es zwischendurch schonmal geklappt hatte. Aber den Aufwand war es Dir bisher nicht wert. Nun ist der Knoten geplatzt. Wir sind über ‚Ein Stück Schokolade und ein Tattoo auf die Hand.‘ über ‚Ein halbes Stück Schokolade und ein Aufkleber‘ nun bei ‚Zwei Gummibärchen‘ angekommen.
Du bist das tollste Kind der Welt, mein Lieblingssohn. Wir lieben Dich.
07.05.2015 | 12:11 | lieblingsmädchen | so schwanger 2.0 | 1 kommentar
Alles an meinem Körper ist mit Vorsicht zu behandeln. Ich bin der Schrecken einer jeden Hebamme, eines jeden Chirurgen: Blaue Augen, rote Haare. ‚Sind die gefärbt?‘, wurde ich in den folgenden Stunden häufiger gefragt. ‚Nein.‘ ‚Hmmm.‘
Auch meine Venen bilden hier keine Ausnahme. Sie sind empfindlich. Die Assistenzärztin war unerfahren. Eine ungute Kombination.
Thorsten Thorstensson kann kein Blut sehen. Ich wundere mich, wie er die Uterusatonie bei Bewusstsein überstanden hat. Er sagte mir im Nachhinein, er habe überlegt rauszugehen, als die Ärztin mit mir über den Zugang diskutierte. Aber dann habe er gedacht, wegsehen würde reichen. Einen Zugang zu legen dauert ja im Normalfall nicht lang. Er saß auf einem Hocker ohne Rücken- oder Armlehnen.
Die Assistenzärztin versuchte den Zugang am linken Unterarm zu legen. ‚Versuchte‘. Die erste Vene platzte. ‚Oh. jetzt ist sie geplatzt.‘ … ‚Hmmm.‘ … ‚Es sollte aber schon der linke Arm sein, das ist logistisch für uns besser.‘ … ‚Ich versuche es nochmal.‘ Sie klebte ein Pflaster auf die Einstichstelle und versuchte es weiter oben. ‚Oh. Mist. Die ist auch geplatzt.‘ Nächstes Pflaster. ‚Vielleicht nehme ich doch den rechten Arm.‘ Ich machte deutlich, dass ich darüber hinausgehende Versuche nicht dulden würde, falls das jetzt wieder schief gehen würde. ‚Ja. Nein. Ich würde dann sowieso aufhören. Ich will sie ja nicht noch weiter quälen.‘ Am rechten Arm hatte sie dann doch Erfolg. Thorsten Thorstensson drehte sich kurz zu mir um. Er sagte: ‚Du tropfst.‘ Ich sah auf meinen linken Arm. Tatsächlich tropfte etwas Blut die Hand hinab auf das weiße Laken. Na gut, es war ein bisschen mehr Blut. Aber nicht schlimm. Fand ich.
Die Ärztin wischte das Blut vom Arm. Thorsten Thorstensson sagte noch: ‚Mir wird schlecht.‘ Ich sah zu ihm rüber. Sprang von der Liege und fing ihn auf. Er war komplett weggetreten. Keine Körperspannung, die Augen weggedreht. Immerhin atmete er noch. Ich sagte der Ärztin: ‚Wir müssen ihn auf den Boden legen. Die Füße hoch.‘
Die Ärztin sagte: ‚Sie machen gar nichts!‘ Ich hielt Thorsten Thorstenssons Rücken und seinen Kopf, damit er weiteratmen konnte. Es war nicht schön. Die Ärztin friemelte ihr Telefon aus der Kitteltasche. Das schien auch nicht so leicht. Endlich konnte sie Hilfe rufen. Man verfrachtete Thorsten Thorstensson auf die Liege. Er war gelb, nicht ansprechbar. Aber er atmete.
Als er kurz darauf wieder bei Bewusstsein war, sagte er sowas wie ‚Mir ist schlecht.‘ Ich hechtete nach den Nierenschalen, gab ihm eine. Er erbrach sich. Jemand fragte mich: ‚Sind sie vom Fach?‘ Ich hab darauf nicht geantwortet. Brachte die Nierenschale zum Waschbecken. ‚Frau L., lassen Sie das. Das machen wir.‘ Thorsten Thorstensson hatte schon die nächste Nierenschale in der Hand.
Man ließ Thorsten Thorstensson auf der Liege. Er erholte sich aber nicht. Eine andere Ärztin kam und sagte, wir müssten die Liege räumen. Schwierig, weil Thorsten Thorstensson nicht aufstehen konnte. Man brachte einen Rollstuhl. Thorsten Thorstensson wurde in den Stuhl gehoben, immer noch weiß bis gelb, immer noch die Nierenschale in der Hand. Er wurde auf die Station geschoben. Ich sagte, ich würde gern ein Einzelzimmer haben. Man organisierte mir ein Einzelzimmer, Thorsten Thorstensson wurde in das Bett gelegt und stand die nächsten Stunden nicht mehr auf.
Die Wehen setzten wieder ein. Die Taschen waren noch im Auto. Thorsten Thorstensson konnte nicht aufstehen. Ich textete mit meiner Schwester, die in den letzten Tagen immer mal nachgefragt hatte, wie es mir geht. Wehenabstand 5 min. Ziemlich heftige Wehen. Ich fing an zu vertönen. Es war jetzt etwa halb 12. Das Essen wurde gebracht. Ich aß wenig. Thorsten Thorstensson lag im Bett und konnte nicht aufstehen. Ich vertönte die Wehen. Ich trank. (Immer viel trinken!)
Mein linker Arm schwoll an. Er schmerzte. Was blöd war, weil ich mich doch in den Wehen festhalten musste. Aua. Ich fragte die Stationsschwester um Rat, sie gab mir Retterspitz. Ich kühlte den Arm, vertönte die Wehen.
Ich hatte Angst um Thorsten Thorstensson, gleichzeitig war ich so sauer. Wie konnte er mich so im Stich lassen? Ich hatte in den Wochen vorher immer gespürt, dass er den Gedanken an die Geburt verdrängte. Den Gedanken, ins Krankenhaus zu fahren. Dass er im Grunde nicht mitkommen wollte. Ich hatte ihn vorher mehrfach gefragt, ob ich lieber jemand anderes mitnehmen soll. Ob er sich das zutraut. Er hatte immer bejaht. Und er sagt auch jetzt – hinterher – immer noch, er habe natürlich dabei sein wollen. Das sei keine Absicht gewesen.
Ja, ich glaube ihm das. Aber unterbewusst hat er das ziemlich geschickt eingefädelt. Ich war allein. Und wütend.
Ich fragte, ob ich meine Schwester fragen solle. Ich machte Andeutungen gegenüber meiner Schwester. Sie verstand sofort. Man kam und sagte mir, ich solle in den Kreißsaal kommen. Thorsten Thorstensson stand aus dem Bett auf, wir schlichen zum Kreißsaal. Ich hielt mich an den Wänden fest, um die Wehen zu vertönen. Ich wurde wieder ans CTG angeschlossen. Wehen, eindeutig. Und die Herztöne saltatorisch. Hoch, niedrig, weg, hoch, viel zu hoch. Das Kind in meinem Bauch tobte. Sogar unter den Wehen. Ich fluchte. Wie kann es sich noch unter den Wehen so bewegen? Aua!
Thorsten Thorstensson merkte an, ihm sei schlecht. Ich reagierte kaum, weil ich so mit den Wehen beschäftigt war. Schon viel zu lang dieses CTG. 45 min? Länger? Thorsten Thorstensson verließ den Raum. Kam nicht zurück.
Kam zurück. Hatte den Kreißsaalflur vollgekotzt. Man sagte uns, es sei besser, wenn er den Kreißsaalbereich verlässt und auch nicht auf die Wöchnerinnenstation geht. Ansteckungsgefahr. Vielleicht ein Magen-Darm-Virus?
Ich textete meiner Schwester, dass mein Mann gerade rausgeworfen würde. Ob sie kommen könne. Sie ist Erzieherin. Organisierte Ersatz für ihre gerade schlafende U3-Gruppe und kam. Ich wurde vom CTG abgeschnallt. Endlich. Keine Einleitung. ‚Sie haben ja Wehen!‘ Ach was. Zurück auf die Station. Meine Schwester und Thorsten Thorstensson wollten die Taschen holen. Ich sollte mitkommen. Ich versuchte es. 2 Meter aus dem Zimmer raus. Unmöglich. Soweit konnte ich nicht laufen. Die Wehen wurden immer schmerzhafter. Ich tönte. Ich blieb im Zimmer. Stützte mich aufs Bett. Die Taschen kamen. Thorsten Thorstensson ging. Ich war sauer. Ich war froh, dass meine Schwester da war.
Am 27.04.2015 sollte die Geburt eingeleitet werden. Die Ärzte wollten wegen des vorherigen Kaiserschnitts nicht länger warten, wollten eigentlich am 26.04.2015 (ET+7) schon einleiten. Mein Einwand, dass ich einen anderen Geburtstermin (nämlich den 22.04.2015, also 3 Tage später) ausgerechnet hatte, wurde lächelnd ignoriert. Sowas hört man dort wohl öfter.
Am 26.04.2015 probierten wir ALLE wehenfördernden Maßnahmen. Gegen 20 Uhr war ich noch bei meiner Hebamme, die Akkupunktur machte und eine Eipollösung versuchte. ‚Versuchte‘, weil der Muttermund nur gerade eben so fingerdurchlässig war. Immerhin war der Schleimpfropf schon weg. Also mit Gefühl und Gewalt. Es war unangenehm, aber noch auszuhalten.
In der Folge hatte ich das Gefühl, dass diese Eipollösung etwas bewirkt hatte. Die Vorwehen, die ich ständig hatte, wurden immer stärker. Und sie waren regelmäßig bei etwa 10 min. Wir gingen ins Bett und ich versuchte zu schlafen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich geschlafen habe. Wenn, dann auf jeden Fall nicht viel.
Ab 24:00 Uhr konnte ich definitiv nicht mehr schlafen. Die Vorwehen wurden immer stärker. Um 03:00 Uhr war auch Liegenbleiben nicht mehr möglich. Also stand ich auf und machte mir erstmal ein Nutellabrot und trank Apfelschorle. Und Wasser. Immer genug trinken. Ich tiegerte durch die Wohnung, las noch etwas in diesem Internetz. Lud mir eine Wehenapp aufs Handy. Was man halt so macht. Und alle 5 min stand ich an der Küchenarbeitsfläche und veratmete.
Um 08:00 hatten wir den Termin im Krankenhaus. Wir frühstückten. Die Taschen wurden ins Auto verladen. Ich hatte wahnsinnige Angst vor Wehen im Auto. Aber auf der gesamten Fahrt (35 min) gab es keine einzige Wehe. Was der Kopf so alles machen kann. Zuerst war ich froh. Als wir dort waren dann nicht mehr so. Keine Wehen = Einleitung.
Ich sagte, dass ich die gesamte Nacht stetig heftiger werdende Wehen gehabt hatte, diese aber im Auto verschwunden seien und dass ich gern wieder fahren würde, um auf meine eigenen Wehen zu warten. Man war einverstanden, vorausgesetzt die Untersuchungsergebnisse sprächen nicht dagegen. Das CTG war wehenlos und die Herztöne regelmäßig und gut.
Bei der Untersuchung (Assistenzärztin und Oberärztin) war der Muttermund bei ‚Fingerkuppe einlegbar‘. Beim Ultraschall wurde festgestellt, dass die Fruchtwassermenge gering sei. Also nix mit nach Hause fahren. Man sagte mir, man würde bis mittags auf eigene Wehen warten und dann gegebenenfalls mit der Einleitung (Prostaglandin-Gel) anfangen. Bei dem Befund könne man nicht länger warten.
Die Hebamme kam und sagte, sie würde gern eine Eipollösung versuchen. Als sie den Muttermundbefund las, sagte sie, das sei bei einem so unreifen Befund leider doch nicht möglich. Sie wunderte sich, wie meine Hebamme das am Abend vorher geschafft hatte. Ich sagte: ‚Mit Gefühl und Gewalt.‘ Sie lachte.
Die Assistenzärztin kam zurück und wollte mir einen Zugang in den linken Arm legen. Ich wehrte mich. Ich sagte, wir würden doch noch bis mittags warten, sie könne mir ja dann gegebenenfalls einen Zugang legen, falls es dann wirklich zu einer Einleitung käme. Nein, das sei schon nötig und sie würde das lieber jetzt als später machen. Ich weiß nicht mehr, ob sie noch mehr Argumente hatte. Ich wehrte mich noch ein bisschen, aber nicht konsequent genug. Mir war klar, dass wir hier nicht mehr wegkommen würden. Entweder die Wehen kämen zurück oder es würde eingeleitet. Und in beiden Fällen bräuchte ich den Zugang, allein schon, um das Fibrogammin (Faktor-XIII-Mangel) zu bekommen. Im Grunde war es mir egal, also lies ich sie machen.